Is tango easy or terribly hard? A graphic artist goes on an adventurous trip into the world of
the tango - discovering, laughing, struggling,despairing, learning. Can I tango? Maybe!

Samstag, 9. Mai 2015

Gehen lernen II


Learning to walk is a lifelong challenge in tango

Gut zwei Jahre sind vergangen seit meinem Blog-Eintrag "Gehen lernen", und noch immer arbeite ich fast täglich genau daran: am Gehen lernen. Desto tiefer ich einsteige, desto komplexer erscheint mir dieses einfache Thema. Und ich verstehe immer mehr die Aussage manche Lehrer, man müsse sein ganzen Tango-Leben lang Gehen üben.

Was macht es denn so kompliziert?

Winzige Details machen einen RIESIGEN Unterschied. Alles was im Bereich der Füße, bei der Bewegung des Gehens passiert, spielt in die gesamte Haltung, in jede Bewegung hinein. Und nicht nur in die eigene, sondern auch in die Bewegung und die Wahrnehmung des Tanzpartners.

Hier sind meine liebsten Steckenpferde:

Wie und wo ich eine Bewegung beginne. 
Passiert das im Knie und bewege ich erst nur den unteren Teil des Beines, oder passiert die erste Muskelbewegung im Oberschenkel und wird somit das ganze Bein bewegt?

Wie ich den Fuß bewege.
Ob bei der Bewegung nach hinten, zur Seite oder nach vorne - bleibt der Kontakt zum Boden bestehen? Strecke ich den Fuß in einer geraden Linie aus?

Wie ich die Füße aufsetze. 
Es macht einen riesigen Unterschied, ob ich mehr im Innenbereich der Ballen aufsetze oder ob ich über die äußeren Zehen aufsetze. Das Aufsetzen und Abrollen über die äußeren Zehen entfernt mich von der gedachten Mittelachse zwischen beiden Füßen und löst im Oberkörper und damit in der Umarmung Störungen aus, ich bewege mich weg von der Mittellinie.
Das Abrollen beim Rückwärts-Laufen erfordert überraschend viel Muskeln. Das Gewicht wird zunächst vom Ballen aufgefangen und nur langsam Richtung Ferse weiter geleitet, ohne das diese allerdings den Boden berührt. Das braucht Muskelkraft! Ohne entsprechend weiches Abrollen und die Muskeln, die dafür nötig sind, landet das Gewicht bei der Verlagerung plumpsend auf den Fersen, was man in der Umarmung als Erschütterung fühlt. Unschön. Ich musste dafür richtig Muskeln im Fuß trainieren.

Wo mein Gewicht bis zur Verlagerung bleibt.
Die Versuchung ist groß, schon mit dem sich ausstreckenden Fuß das Gewicht zu verlagern. Das verhindert allerdings dass ich erfassen kann, wie weit dieser Schritt von meinem Partner eigentlich geführt wird, und zum anderen verbaue ich meinem Partner die Möglichkeit, den Schritt auch wieder zurück zu nehmen, ihn an eine andere Stelle zu platzieren oder sonst welche Spielereien zu machen.

Wie ich mein Gewicht verlagere.
Hui, das ist ein großes Thema, das auch immer spannend bleibt. Man würde meinen, man streckt das Bein aus und verlagert einfach das Gewicht darauf. Okay. Aber wann genau? Wie lange bleibt man auf dem Ursprungsbein, wann kommt der Impuls zum Verlagern? Wie erreiche ich, dass ich nicht mitten in der Bewegung fest stecke, mein Gewicht also nicht klar auf meinem ausgestreckten Fuß ankommt? Da ist eine ganz besondere Dynamik drin, die ich immer wieder bei guten Tänzern bewundere. Ein geschmeidiges, dynamisches Verlagern, bei dem ganz klar ist, wo der Anfangspunkt und wo der Endpunkt ist. Eine dynamische aber perfekt kontrollierte Bewegung. Strecke ich das sich ausstreckende Bein zu sehr durch, kann ich auf dem Bein nicht landen. Mache ich es zu weich, spürt mein Partner das Ankommen nicht. Wie schwer ich im Boden stehe macht einen großen Unterschied aus. Und wie ich mich von meinem Startpunkt abstoße. Das ist eine kleine, perfekte Dosis, denn sie soll nicht übers Ziel hinaus schießen, aber zum klaren Landen reichen. Von Terpsichoral Tangoaddict habe ich ein wunderbares Bild mitbekommen, welches mir hier sehr hilft: Stell Dir vor, Du stehst auf einem Rollband und gehst in großen Schritten rückwärts, stößt Dich dabei immer ein wenig vom Rollband ab, um die Vorwärtsbewegung des Bandes auszugleichen. Jeder hat seine Bilder, aber dieses hat für mich Wunder bewirkt! Da ist genau die richtige Menge Gewicht und Konzentration auf dem Startpunkt und Dynamik für die Verlagerung drin.

Was mit meinen Knien passiert.
Berühren sich die Knie kurz beim an einander vorbei ziehen? Ich stelle mir machmal vor, es sind zwei Magneten, die sich anziehen, in der Bewegung kurz zusammen haften bevor sie wieder auseinander gezogen werden.

Wie viel im Auto-Pilot-Systhem abläuft.
Ist jeder neue Schritt so jungfräulich als wäre er der erste? Oder läuft eine Folge von Bewegungen ab, die der Führende nur mit großer Mühe bei Bedarf anhalten kann?

Das Thema ist unerschöpflich. So wird bestimmt irgendwann ein dritter Post zu diesem Thema folgen. Ich übe Gehen fast täglich, habe zum Glück einen langen Flur, auf dem eine Weile ein Klebestreifen die Mittelinie markierte. Ein Spiegel an der Stirnseite hilft mir, meine Bewegung zu kontrollieren. Pendelt mein Oberkörper muss ich an den oben genannten Punkten justieren. Taucht mein Körper immer wieder in den Schritt ein, bleibt also im Spiegel nicht konstant in einer Höhe, muss ich justieren. Manchmal übe ich sehr langsam und kontrolliert, manchmal mit Musik und der entsprechenden Dynamik.

Ein ganz anderes Paar Schuhe ist es, wenn ich dann mit einem Partner zusammen gehe. Jetzt kommt zur eigenen Bewegung die Umarmung und der Führungsimpuls dazu. Ich glaube, die meisten Führenden können sich gar nicht vorstellen, wie wunderbar es ist, einfach nur eine Weile durch den Raum in schönen, dynamischen, großen Schritten geführt zu werden und zu spüren, dass die Feinjustierung im Paar anfängt zu funktionieren (bei entsprechender Leere auf der Tanzfläche!). In ganz, ganz, ganz, ganz glücklichen Momenten spüre ich die Energie meines Partners, wie sie durch seine Brust über und durch meinen Körper bis in die Fußspitze des ausgestreckten Beines fließt und diese genau an einer ganz bestimmten Stelle platziert. Dann weiß ich, dass sich das ständige Üben gelohnt hat.