Is tango easy or terribly hard? A graphic artist goes on an adventurous trip into the world of
the tango - discovering, laughing, struggling,despairing, learning. Can I tango? Maybe!

Donnerstag, 21. Februar 2013

Tango is Flow

Nach meiner letzten Tango-Stunde fuhr ich wieder einmal warm, wohlig und sortiert nach Hause und versuchte beim Namen zu nennen, was das Tango-Tanzen in mir auslöst. Es scheint mir, als ob jede meiner Bewegungen plötzlich am richtigen Platz, bedeutungsvoll und stimmig sei. Als ob ich ein anderes Gefühl für Raum und Zeit habe. Das löst eine große Zufriedenheit und Wärme aus. Woher kommt das?

Once again, after my last tango-lesson, I drove home happily, warm, relaxed and well sorted. And I tried to explain to myself, what has this effect on me. I have the feeling that my movements, gestures suddenly are harmonious and coherent. As if I had a new perception of space and time. This causes a very happy feeling of satisfaction. But how does it come about? 



Die meiste Zeit laufen wir als zwei Personen durch das Leben - ich, der äußere Mensch mit meinem Körper, seinen Freuden und seinen Unzulänglichkeiten und ich, der innere Mensch, mit meinen Gedanken, Gefühlen, Träumen, Grüblereien. Die meiste Zeit des Tages laufen die beiden neben einander her. Es gibt Momente, in denen sie sich näher sind, berühren, überlappen, und Momente, in denen sie völlig getrennt von einander funktionieren. Da ist mein Körper z. B. grade beim Wäsche aufhängen und meine Seele grübelt über die Antwort einer Freundin von vor ein paar Tagen. Oder mein Körper joggt und meine Seele und mein Geist entwerfen Projekte für den nächsten Tag. Das kenne wir alle zu genüge. Sie sind laufen getrennt neben einander her.

Beim Tango-Tanzen passiert das Erstaunliche – die beiden Ebenen berühren sich, überlappen und werden sogar eine Einheit!

Most of our lives, we act as two separate figures - me, the outside person with my body, its joys and insufficiencies. And me, the inside person with my thoughts, feelings, dreams and doubts. Most of the time, the two of them walk next to each other. Sometimes they overlap a little. My body, for example, is hanging out the laundry while my soul and mind are brooding about some comment of a close friend. Or my body is outside jogging while my mind and soul are planning projects for the next day. We all know uncountable similar situations. Our outside and inside persons are functioning separately from each other.

But now - in dancing tango, the wildest thing happens: both layers touch, overlap and even merge!





Tango ist Meditation, Tango ist Flow.

Beim Tango wird das Bewusstsein für den eigenen Körper in seiner Bewegung gestärkt. Jede meiner Bewegungen hat eine sofortige Folge, sei es dass ich stehe und warte, oder einen Schritt gehe, immer ist da der sofortige Bezug zu meinem Tanzpartner, der mich zurück spiegelt und in Beziehung setzt. Ist mein Inneres angespannt oder verkrampft, funktioniert diese Kommunikation nicht. Erst wenn ich frei atme und Innen und Außen durchlässig mache, kann ich den Bezug zu meinem Gegenüber aufbauen und mich stimmig im Raum bewegen. Zu viel Kopf – und der Körper gehorcht nicht. Zu viel Körper ohne die feinen Antennen der Seele – und ich stolpere. Nur in der Durchlässigkeit beider Ebenen kann ich Tango tanzen. Und ich bekomme sofort von meinem Tanzpartner gespiegelt, wenn ich diese Durchlässigkeit nicht habe.

Vielleicht habt ihr schon mal den Begriff "Flow" gehört, den der unaussprechliche Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi geprägt hat. Er beschreibt genau diesen Zusatand des Verschmelzens von Handlung und Bewusstsein. Einen Ausflug in seine spannende Gedankenwelt findet ihr zum Beispiel bei Wikipedia. Ich bin überzeugt davon, dass ein versunkener Tangotänzer genau die gleichen körperlichen und psychologischen Effekte aufweist wie sie beim Flow beschrieben werden.

So ist Tango für mich eine körperbetonte Meditation, die mich erdet, mich durchlässig macht und meine Seele und meinen Körper verschmelzen lässt. Kein Wunder, dass ich mich nach dem Tango-Tanzen wie ein satter Säugling fühle!

Tango is Meditation, Tango is Flow.

When dancing tango, the awareness of my own body grows. Each of my movements has an immediate result. Whether I am standing or moving, my dance partner immediately reflects my action, gives me feed-back. If my inside-person is strained or up tight, this communication does not work. I have to breathe freely and let my inside and outside be permeable to be able to communicate my movements with my partner and to move coordinated through space. Too much of my head - and my body will not follow. Too much of my body without the fine antennas of my soul - and I will stumble. Only by merging both layers - inside and outside - can I dance tango. And the best is - I get immediate feed-back by my partner if I am not there.

Maybe you have already heard of the term "Flow", which was created by the unpronounceable psychologist Mihaly Csikszentmihalyi. He describes exactly the same state of merging action and awareness. You can find more information about his fascinating theories under Wikipedia. It is worth while reading into them a little. I am convinced, that a concentrated tango dancer shows the same bodily and psychological factors as described in the Flow experience. 

Tango seems to be a bodily conscious form of meditation which grounds me and lets soul and body merge in a very harmonious way. No wonder, I feel like a saturated baby after dancing tango!

Freitag, 15. Februar 2013

Blindfolded Steps – Tappen im Dustern




Ich freue mich über den Fortschritt im Vorwärts-Gehen, aber die meisten Schritte, die ich als "follower" (wie ist dafür eigentlich der deutsche Begriff?) gehe, sind Rückwärtsschritte. Und ich fühle mich nicht wohl mit Rückwärtsschritten, um es maßvoll auszudrücken. Da gibt es logische Gründe für: Wir gehen im Regelfall vorwärts, das praktizieren wir deutlich häufiger als die Flucht nach hinten. Unsere Gelenke sind bestens für den Vorwärtsgang eingerichtet. Außerdem tragen wir unsere Augen vorne und dieser dominierende Sinn ist für den Rückwärtsgang völlig außer Gefecht gesetzt. Das macht dreifach unsicher. Ich tappe in ein dunkles, schwarzes Nichts, taste mich mit meinem Ballen vorsichtig vor, aber sicher kann ich nicht sein, dass hinter mir kein Monster sitzt oder ein tiefes Loch sich auftut... Oft genug bin ich beim üben gegen die Küchentür oder einen Schrank geknallt. Die erste Herausforderung besteht also darin, die gesamte Verantwortung abzugeben und Vertrauen in den "leader" (Führer???) zu haben. Schon für sich keine leichte Aufgabe für eine Frau von heute.

Die zweite Herausforderung ist es, dies graziös, oder zumindest nicht polternd zu tun. Während meine Achse noch vorne auf dem Ballen liegt, schiebe ich mein Bein gestreckt und mit der Fußspitze tastend nach hinten, im Idealfall genau auf einer Achse. Erst wenn der Impuls des Oberkörpers meines leaders kommt, setze ich den Fuß richtig und verlagere das Gewicht auf diesen Fuß. Soweit sogut. Aber dabei soll bitte der Kopf wie auf einer Schiene montiert nach hinten gleiten, kein Eintauchen und Wippen. Damit kämpfe ich noch. Aber ich habe langsam verstanden, dass das mit meinen weichen Knien zusammen hängt. Beim Fuß ausstrecken nach hinten ist das Bein gestreckt, soll es doch eventuell nicht nur einen kleinen, sondern einen großen Schritt machen. Man weiß es ja nicht... Beim Gewicht Verlagern, also beim eigentlichen Ausführen des Schrittes habe ich mein Bein immer gestreckt gelassen. Hatte dadurch Schwierigkeiten, überhaupt vom anderen Fuß weg zu kommen und mein Gewicht ordentlich zu verlagern. Also dämmerte die Erkenntnis, vom Tanzlehrer beflügelt, dass ich vom Moment an, in dem ich mein Gewicht auf das nach hinten gestreckte Bein verlagere, wieder weich in den Knien werden muss, leicht nachgebe und so ganz einfach hinüber gleite. Okay, graziös muss das immer noch nicht aussehen, aber das Ziel ist der Weg...  

Was mache ich jetzt mit dem schwarzen Nichts hinter mir? Einfach einfärben! Vielleicht in ein warmes goldenes Gelb, als würde ich in ein goldenes Schimmern gleiten... 




While I am quite happy about my progress in walking forward, I am not at all at ease with the backwards steps of which we followers have to take so many. Not at ease at all! An there are terrific reasons for this: In our every-day life, we practice forward steps very frequently while we fortunately very rarely have to step back. The joints of our legs are constructed in an ideal manner for stepping forward. And finally, our eyes are located on the front side of our body, leaving us practically blind in backward gear. Three good reasons to be doubtful. Blindfolded, I enter a black and infinite space, the ball of my foot keenly gropes backward, but can I be sure there is no monster squatting behind me? No deep black hole suddenly opening? How often have I made hurtful contact with my kitchen door when practicing backward steps. The first challenge therefore must be to abandon my control mechanism and trust my leader. Not a very easy task for a modern woman.

The second challenge proves to be to do this gracefully, at least not too blundering. While my middle axis and my weight remain on the ball of my front foot, my other leg stretches out backwards, feeling it's way with the tip of the foot, ideally on on straight line. Only when I receive the impulse of my leader, do I actually take the step and bring my axis and my weight to the new position. While doing this, my head remains on one steady level, as though it were mounted on a rail. No dipping in, no bouncing. This proves troublesome for me. I slowly understand that this has to do with flexible knees. While stretching out the leg backwards, the leg is as straight as possible. When I transfer the weight to the new position, I kept my leg straight and had trouble actually leaving the last position. So slowly, with the aid of my teacher, I came to the conclusion that I must render my knees flexible again from the moment on I start to transfer my weight, bending it slightly to allow my head to stay in one hight and my weight to slide over easily. And voilà - it works! I know - for experienced tango dancers this must sound like kindergarden, but for me it is insight.

But what shall I do about the frightening black vast space behind me??? I'll color it. A warm, golden yellow, making me believe I am drifting into a golden mist...



Montag, 11. Februar 2013

Viola with a Tango-Soul

Dieses Wochenende hatte ich für den Tango völlig abgeschrieben – ein Proben-Wochenende mit Orchester stand auf dem Plan, keinen freien Abend und ziemlich sicher große Erschöpfung. Aber da hatte ich mich geirrt. Weniger mit der Erschöpfung - die war zielsicher am Platz, aber mit dem Tango! Denn meine 4-köpfige Bratschen-Truppe entpuppte sich als Tango-Truppe! Zwei der anderen Brascherinnen tanzen Tango, die eine sogar schon 7 Jahre lang. Und eine spielt sogar Bandoneon... Ich habe nicht schlecht gestaunt und schwinge mich zu der mutigen Behauptung herauf, dass Bratscher im innersten Kern eine Tango-Seele tragen! Dazu muss man als nicht-Musiker vielleicht wissen, dass die Bratscher (sie spielen in der Mitte des Orchesters die etwas zu groß geratene Violine mit einem warmen, tieferen Klang) ein wenig als die Ostfriesen des Orchesters gehandelt werden. Es gibt sogar eine eigene Website für Bratscherwitze. Sie sind die verkannten Genies des Orchesters und ihre melancholischen Seelen fühlen sich ganz natürlich zum Tango hingezogen. So betrachtet, wundert mich das gar nicht mehr. Ich werde meine Feldstudien nächstes Wochenende fortführen - da stehen die Konzerte an. Vielleicht sollten wir in den Pausen mal Tango spielen. Oder tanzen?

This weekend was sure to be lost to the tango for me - I had an orchestra rehearsal scheduled for the entire weekend, evenings occupied, fatigue certain as can be. But I was wrong. Not about the fatigue, but about the tango. My viola-section turned out to be a tango-group! Two of the other violists dance tango, one for 7 years. And one of them even plays the Bandoneon... I was quite surprised and am tempted to claim that viola-players carry in them a tango-soul. As a non-musician you might want to know that the violists are frequently misjudged and stigmatized as slow, stupid and inapt musicians - there exist an uncountable amount of jokes about the viola (the viola is the oversized violin with a beautiful warm and low-pitched sound playing in the centre of the orchestra). The viola is the misconceived genius of the orchestra and with its melancholy soul quite naturally feels akin with the tango. I should not be surprised. I will continue my studies next weekend when the orchestra will go on stage in the north of Germany. Maybe we violists should play tangos during the pause? Or even dance?

Donnerstag, 7. Februar 2013

What have your eyes done to me?!


Keiner trägt den Bogart so wie er - unvergleichlich feurig lugen seine Augen darunter hervor, begleitet von einem bezaubernden, strahlenden Lächeln - Carlos Gardel! Als Jugendliche hatte ich eine heftige Gardel-Verehrungs-Phase, an die ich jetzt etwas abgeklärter anknüpfe. Da ist diese Stimme, die berührt  und mit ihrer emotionalen Tiefe erschaudern lässt. Im Kontrast dazu scheint seine heroische, fast zu perfekte Darstellung zu stehen. Perfekt sitzende Frisur, Anzug (und Bogart) - alles unter Kontrolle, kein Chaos, kein Zufall, perfekter Charme, Inszenierung. Ist das nicht DIE Tango-Persönlichkeit? Als uneheliches Kind einer Einwanderin fehlt ihm Heimat und Zugehörigkeit. Er findet sie in der Musik und dann im Tango. Und den Halt in dieser heroischen Darstellung. Für mich scheint das die Seele des Tangos zu sein - zum Einen die Sehnsucht nach Heimat, nach großen Gefühlen, nach Verschmelzung, nach dem Ende allen Leids, auf der anderen Seite das sich über all das Erheben, mit Stolz und Struktur, Rhythmus, manchmal dem Stolz eines Ertrinkenden. So wie sich die sehnsuchtsvollen Melodien des Tangos an seiner stampfenden, geraden Struktur reiben.

Von Gardel stammt diese Interpretation des wunderschönen Vals "Yo no se que me han hecho tus ojos", der eigentlich aus der Feder von Canaro stammt, sowohl Musik als auch Lyrik. Wieder geht es hier um die Augen, Sinnbild der Seele, die verzaubern, deren Bild bis in die Träume dringt und nicht mehr aufzulösen ist. "Was haben mir Deine Augen angetan?"

Den Text habe mich mitsamt einer englischen Übersetzung hier gefunden: http://www.planet-tango.com/lyrics/yonose.htm






Nobody wears the bogart as he does, nobody's eyes are as fervent, nobody's smile as radiant and proud - this is Carlos Gardel! As a teeny I had a crush on him and traces of that are still alive in me today. There is his voice - very warm, emotional, touching and with a very special fever. On the other side his appearance - heroic, controlled, perfecty pomaded hair, clean cut suit, bogart with a little tilt... everything is perfectly staged, no chaos, no coincidence. Isn't this just THE tango figure? As an illegitimate son of a poor immigrant he has no real home, no place nor family he belongs to. He finds his home in music, in the tango. And security and foothold in his perfection and heroic appearance. To me this seems to be the soul of the tango: on one hand there is the yearning for a homeland, for big feelings, for mergence, a yearning for the end of all suffering. And on the other hand the desire to lift oneself above all this, with pride, structure, perfection, rhythm, sometimes the pride of a drowning man. The way a haunting tango-melody winds around the rhythmic and straight structure of the tango pulse.

Gardel is the interpreter of this beautiful Vals "Yo no se que me han hecho tus ojos", a beautiful vals written by Canaro - lyrics as well as music. Its hounting and sad melody contrasts the happily swinging 3/4th rhythm and Gardel just sings it to melt anyones heart... The lyrics tell again of the fascination of a womans eyes, causing sleepless nights and feverish thoughts. 

What have your eyes done to me?!

You can read the lyrics together with an english translation here:http://www.planet-tango.com/lyrics/yonose.htm

Dienstag, 5. Februar 2013

Ojos Negros




Ich war verdutzt, als ich das russische Volkslied OJOS NEGROS, was hierzulande schon fast Gassenhauer-Qualitäten hat, als Tango entdeckte. Canaro hat in einer sehr schönen Einspielung die Tango-Seele dieses Stückes zum leuchten gebracht. Und was für eine Tango-Seele! Der original Text, der laut Wikipedia von Jewhen Hrebinka stammt, steht in keinster Weise den Tango-Poemas nach. Er erzählt von brennend schönen schwarzen Augen einer Frau, die den Autor verfolgen, die er liebt und gleichsam fürchtet, weil er weiß, dass er diesen Augen sein Leben opfern würde... hach! Russische Seele! ... Oder Tango Seele? Das Tango-Kleid steht diesem Lied, als wäre es so auf die Welt gekommen. Fast unprätentiös kommt die Melodie auf dem stampfenden Tango-Rhythmus daher und rührt dennoch nicht weniger. Wie das Lied wohl von Europa nach Buenos Aires geschwappt ist?


I was quite astonished to discover the russian folk song OJOS NEGROS in a tango interpretation. Canaro lifted the veil and let the tango soul of this song appear in a beautiful recording. And what a stunning tango soul! The original lyrics (according to Wikipedia by Jewhen Hrebinka) could easily pass as a tango poema. Of the black and haunting eyes of a woman it tells, eyes that are loved and feared at the same time, for they can bring joy as well as despair... Ahhh, the russian soul! Or the tango soul???? The tango dress suits it well. Canaro lets the melody run very calmly over the rolling tango rhythm, thereby emphasizing its hidden dramatic and touching side. I prefer this version to most of the melodramatic other versions I have ever heard. But how did the tune make its way from Europe to Buenos Aires?

Here is an interpretation from Berlin dated 1929. Not only is version (as I believe the original) set in a 3/4th beat, but the musicians very dramatically play with tempo changes. Enjoy the contrast!



Montag, 4. Februar 2013

Nose or Cheek?

Kennt ihr das - man trifft einen Freund, möchte ihn umarmen und verheddert sich ein wenig bei der Entscheidung, ob man dem Gegenüber die rechte oder die linke Wange zuwendet? Beim Tango muss diese Entscheidung auch getroffen werden. Bei meiner gestrigen Milonga konnte ich bei dieser "getanzten Umarmung" sehr vielfältige Varianten beobachten, die ich in einer Skizze zusammen gefasst habe.

Am Rande - Kommentare sind sehr willkommen. Lernen ist ein offener Prozess...

Do you know the moment of hesitation and sometimes even slight chaos when you meet a friend and want to hug him? You turn him your right cheek an he his left? Well, tango, the danced embrace, has similar questions to settle before dancing and at my last Milonga I was able to observe quite a few variations which I here collect in a sketch.

By the way - comments are very welcome. Learning is an open process...



Sonntag, 3. Februar 2013

Schokoladentarte mit Tango

Als Ausgleich für mein gestriges Kneifen war ich heute auf einer Nachmittags-Milonga in der Großstadt. Eine Nachmittags-Milonga, so schien es mir, würde die Schwelle nicht so hoch halten, das müsste etwas entspannter sein und mir die Berührungsängste nehmen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe nicht getanzt. Ich war sehr pünktlich da - schöne Räume, gute Musik, ein leckerer Milchkaffee und eine verwerflich cremige Schokoladentarte... Alles bestens. Es füllte sich langsam doch auf der großen Tanzfläche war es nie gedrängt. So konnte ich in Ruhe allen Tänzern zuschauen. Vielleicht hat dieser ausgeprägte Beobachter-Status auch verhindert, dass mich jemand zum Tanzen lockte. Vielleicht hätte ich auch mein Skizzenbuch nicht zücken sollen? Da ich nun aber Beobachter blieb, kann ich nur meine Beobachtungen und nicht meine Erfahrungen teilen.

Aber alleine das Beobachten war den Ausflug wert. Was für unterschiedliche Menschen, Tänzer, Tanzhaltungen...! Schon alleine die verschiedenen Varianten, wie die Gesichter in dieser "getanzten Umarmung" gehalten werden: Manche Frauen schauten über die rechte Schulter ihres Partners, ihre rechte Wange fast an seiner rechten Wange. Mit dem in die Ferne gerichteten Blick hatte das allerdings etwas leicht gelangweiltes. Ein viel innigerer Eindruck entstand, wenn die Frau ihre Augen schloss. Oder die zweite Variante - sie wendet ihr Gesicht dem seinen zu und berührt fast oder berührt mit ihrer Stirn seinen Kopf, seine Wange. Das habe einige Paare sehr schön dargestellt. Merkwürdig wurde es nur, wenn sie ihren Kopf zu hoch reckte und ihre Nase quasi in sein Gesicht drängte - die Nase wurde dann zur Seite gedrückt und das war auf Dauer sicher nicht sehr angenehm. Die dritte Variante, die ich beobachten konnte, war cheek-to-cheek - ihre linke Wange an seiner rechten Wange. Ein wenig sah das auch anstrengend aus, aber dennoch auch sehr innig. Jedenfalls bei dem Paar bei dem ich es beobachten konnte. Natürlich gab es dann noch alle etwas distanzierteren Varianten, ihr Kopf mehr nach links oder mehr nach rechts gedreht. Ungünstig erschien mir hier ein zu ausgeprägter Größenunterschied - eine Frau war einen Kopf kleiner als er und hatte ihre Nase quasi in seinem Brusthaar (okay, war von einem Hemd umhüllt). Ich konnte nicht ausmachen, welche Haltung am ehesten eine innigen Umarmung ausdrückte - das hing wohl weniger von der Haltung als von der inneren Einstellung ab. Die Paare, die eine Innigkeit ausdrückten, waren eine Wonne zu beobachten.

Genauso groß war die Vielfalt, die Schritte zu setzen. Es war alles dabei von fast stampfenden Schritten bis zum Gleiten. Einem Paar sah man an, dass es schon einige Tanzkurse im Standard-Tanz absolviert hatten - die Haltung und das typische Wippen oder Eintauchen in die Schritte war unverkennbar und irgendwie fehl am Platz hier. Eine sehr schlanke Frau hing an ihrem Partner und ließ sich tatsächlich wie eine Schlenkerpuppe hin und her bewegen, die Füße folgten willenlos. Da war keine eigene Energie mehr in den Füßen, in ihrem Körper, keine Seele und sie erinnerte ein wenig, ich bitte um Verzeihung, an eine dieser aufblasbaren Gefährtinnen aus dem Rotlicht-Milieu. Mehr beeindruckten mich die Tänzerinnen, die mit eigener Energie dabei waren, die Impulse aufnahmen und weiter formten.

Ich hatte auch reichlich Gelegenheit, Tanzschuhe zu bewundern! Ja, ihr wisst ja, ich habe einen Schuh-Fimmel. Zauberhafte Modelle waren da, alles von ganz flachen Turnschuhen (wie hält man es so aus, immer auf den Ballen zu stehen, ohne jemals die Ferse ein wenig auszuruhen?) bis zu unglaublich hohen Absätzen. Glitzer, Samt, Riemchen in allen Formen, auffällige rote und weiße Schuhe bei Herren... Faszinierend! Allerdings sah ich auch viele sehr gequälte Füße. Absätze, die offenbar zu hoch waren, Füße, die an manchen Stellen schon rot geschubbert waren, Pflaster an Hacken - das kann auf Dauer nicht schön sein. Bei allem Galmour dieser Schuhe lobe ich meine einfachen schwarzen treuen Begleiter, die mir noch nie Schmerzen bereitet haben.

Und die packte ich nach fast zwei Stunden auch wieder ein und ging unverrichteter Dinge aber voller neuer Eindrücke wieder nach Hause. Ich werde mich das nächste Mal wohl etwas offensiver um einen Tanzpartner bemühen müssen. Aber für dieses Mal war es ausreichend und erfüllend. Und immerhin genug Stoff für einen Blog-Eintrag!




Samstag, 2. Februar 2013

Catwoman in Aperol

Mutig wollte ich mich heute Abend das erste Mal auf eine Milonga in der Großstadt begeben - beobachten, erleben und natürlich tanzen! Die neuen, glitzernden Tanzschuhe locken (die ich mir ja erst nach dieser ersten Milonga erlaube zu erjagen), die Lust ist groß, der Abend frei... Und doch sitzt Super-Catwoman jetzt verschüchtert in der Küche und hadert mit sich. Sie hat noch nie mit jemand anderem als ihrem Tanzlehrer getanzt. Was ist, wenn sie einen anderen Partner gar nicht versteht, sich zu dusselig anstellt, einen heillosen Knoten aus ihren Beinen fabriziert, gar umfällt und ihre meine Nase blutig schlägt? Was ist gar, wenn sie den ganzen Abend überhaupt nicht aufgefordert wird, weil man ihr Anfängertum schon an der Nasenspitze (in diesem Fall noch nicht blutig geschlagen) ansieht?

Super-Catwoman kneift und ertränkt ihren Kummer in einem großen Glas Aperol-Spritz. Sie ist doch sonst nicht so schüchtern.

Lecker, der Aperol...


This was to be THE evening. I wanted to go into town to my first milonga, to watch, enjoy and, naturally, to dance! I am yearning to dance, I have an evening off and the prize would be me allowing myself to buy a new pair of tango shoes. Ideal conditions! But - yes, but - Super-Catwoman is sitting in her kitchen, intimidated and unhappy. What has happened? She has never ever danced with any one but her dance teacher. What if she does not understand her potential partner at the milonga? What if she makes a gordian knot of her legs, even trips over them and falls - a big disgrace? What if, on the contrary, nobody asks her to dance because her in this case not yet bloody nose tells of her being an absolute beginner? Or because she acts wrong, not knowing the secret formulas of this huis close?

Super-Catwoman chickens out and drowns her disappointment in a big glas of Aperol-Spritz. She isn't normally this bashful - what happend?

Hmmm - yummy - Aperol!

Freitag, 1. Februar 2013

Beredsame Blicke - El Cabeceo



Als Jugendliche lebte ich in einer deutschen Großstadt und verbrachte viel Zeit in U-Bahnen. Mit einem Buch auf dem Schoß ließ sich die Zeit recht angenehm vertreiben. Zudem hatte man die Möglichkeit, recht unauffällig immer wieder den Blick herum schweifen zu lassen und die Mitreisenden zu beobachten. Ein wunderbares Hobby! Manchmal blieb ich an einem besonderen Gesicht, einer bestimmten Mimik oder Haltung hängen, beobachtete intensiver, schon fast an der Grenze zur Impertinenz. Falls jemand zurück schaute konnte ich meinen Blick schnell in das sichere Buch zurück fallen lassen. Manchmal war das Gegenüber aber so spannend, dass ich meinen Blick nicht versteckte, sondern über das normale Maß hinaus zurück blickte. Hielt mein Gegenüber dem Blick stand und gab es dafür ein Lächeln zurück, war der Tag für mich vergoldet. Man könnte es auch Flirten nennen, aber mich interessierten nicht nur Männer. Etwas ganz anderes war es - etwas Besonderes, eine Resonanz, die mich faszinierte.

"Nonverbale Kommunikation" nennt man das und ich bin fest davon überzeugt, dass die wichtigsten Informationen nonverbal kommuniziert werden. Die Worte sind nur ein Schleier, den wir versuchen davor zu hängen, vor dem was unsere Blicke, unsere Körperhaltung, unsere Gesten sagen. Wir beherrschen sie alle, jedenfalls ursprünglich. Entweder wertschätzen und trainieren wir sie oder wir verstecken sie hinter einem besonders dicken Vorhang an Worten und Gedanken. Der Tango scheint mir ein ideales Spielfeld für diese nonverbale Kommunikation. Der Tanz an sich ist völlig nonverbal und gleichzeitig ungemein beredsam. Es geht hier viel mehr als in anderen Lebensbereichen darum, was ich mit meinem Körper ausdrücke, und das nicht alleine, sondern in einer Kommunikation zwischen zwei Menschen, im Wechselspiel Sender – Empfänger – Sender – Empfänger...

Sie findet statt zwischen diesen zwei Menschen, zwischen dem tanzenden Paar und dem sozialen Umfeld der Milonga in der sie tanzen. Dazu kommt die wunderbare Tradition des CABECEOS, eine in formelle Kleider gehüllte nonverbale Kommunikation. Ich finde das wunderbar, denn hier werden wichtige Fähigkeiten eines sozialen Gefüges trainiert. Mein Umfeld wahr nehmen, Zeichen lesen, verstehen, was wirklich gesagt wird. Davon könnte die Welt gerne etwas mehr haben. Und es macht auch noch Spaß!

Was wäre wohl passiert, wenn mich damals in der U-Bahn mein von meinem Blick aufgefordertes Gegenüber erhoben und mich zum Tanz aufgefordert hätte?



I grew up in a major German city and spent much time on subways, on my way to school or to what ever I was up to. I did lots of reading in subways, a very pleasant way of spending ones time. But my book also allowed me to watch my fellow-travellers intensely. Whenever someone looked back at me, I let my eyes drop dreamingly into my book. But people rarely look back. Only sometimes did I find a passenger who fascinated me more, a face, a tenure, a gesture, a sadness, a radiance, whatever. Then I had trouble avoiding the glance back at me and sometimes even provocatively long held it. It made my day if that person looked back and even gave me a small smile in return. You could call it flirting, but it was slightly different - my interest was independent of the gender. There was something special in these subjects of my interest - a radiance, a certain trueness...

Nonverbal communication is what I call it today. An I am convinced, that the really important informations are communicated in this way. We dress words around them, similar to a veil. Some have cultivated this natural ability, some have dressed it in thick layers of words and thoughts, not allowing any trespassing. 

Tango seems to be an ideal playground to try out, cultivate and re-learn our nonverbal communication. The dance itself is entirely nonverbal and at the same time very communicative. More than in other areas, we are brought back to the basics - what do I feel, what do I show? What does my partner communicate, how do I react to this communication, what do I send out? There is communication between the two dancers as well as between the couple and the other couples dancing on the milonga. And finally there is the CABECEO, the perfect nonverbal communication. What a wonderful invention! Playfully and very seriously at the same time, very basic but essential communication is trained and I believe, we could have more of that in our world! On top, it is incredible fun!!!

What would have happened if in my old days, riding the subway, my thus challenged vis-à-vis would have stood up and asked me for a dance?