Eine aufrechte Körperhaltung vermittelt Stolz An upright posture suggests pride |
Die eine Zeile aus dem Piazzolla-Tango "Vuelvo al Sur" (siehe Eintrag "In Search of my South") schwirrt jetzt schon eine Weile in meinem Kopf herum: "... Quiero al Sur, su buena gente, su dignidad..." = Ich liebe den Süden, seine guten Menschen, seine WÜRDE. Würde, was ist das? Ist das das Gleiche wie STOLZ? Nicht ganz. Stolz ist ein Gefühl, welches von einer Leistung, einem Tun oder Sein gefüttert wird. Man ist stolz auf etwas erreichtes, eine Handlung, eine Zugehörigkeit, auf sich, auf jemand anderen. Manche sind auch stolz auf ihr Auto oder ihr Haus, aber dahinter steht der Stolz, etwas erreicht zu haben. Bei dem Wort Stolz fällt uns sofort eine bestimmte Haltung ein – erhobener Kopf, aufrechter Gang, gerader Rücken, leicht nach vorne geschobenen Brust und im Gegenzug etwas nach hinten fallen gelassene Schultern. Das ist die Haltung eines Tangotänzers. Und es macht ganz bestimmt etwas mit uns, diese Haltung zu pflegen. So wie es etwas mit uns macht, wenn wir den Mund, das Gesicht zu einer lachenden Mimik verziehen. Sofort spürt man ein leichtes Aufhellen des Gemütes, auch wenn man nicht tatsächlich gelacht hat. Ähnlich ist es bei Körperhaltungen. Ich glaube nicht, dass man in dieser "stolzen" Haltung gehen und sich gleichzeitig wie das ärmste Würmchen auf der Erde fühlen kann. Ich bin überzeugt, dass dieses Haltung üben im Tango uns verändert und dass es einen Teil der Ausstrahlung des Tangos ausmacht. Natürlich kann der Stolz wie jedes Gefühl überzogen werden und verliert dann seine positive Konnotation. Wie so oft im Leben ist es die Frage des richtigen Maßes...
One line from Piazzollas Tango "Vuelvo al Sur" (see post "In Search of my South") has not left my head for days: "... Quiero al Sur, su buena gente, su dignidad..." = I love the south. Its good people, its dignity. DIGNITY, DIGNIDAD, what is that? Is it the same as pride? Not really. Pride is an emotion brought about by an achievement, a deed or object. We are proud to have achieved something, to possess something, a group achievement or a singular one. Some people are proud of their car or their house, but these objects are only symbols for their achievement. When we think of pride, we immediately envisage a certain posture: upright pose, head lifted high or at least straight forward, straight back, chest slightly opened forward and shoulders heading back and down. This is the posture of a tango dancer. We change when we practice this posture, training to walk upright but rooted. As we change when we grimace a smile on our face, even when not laughing. Our mind immediately brightens up, we relax. Working on your posture has similar effects. I don't believe you can continue to feel like the scum of the world while walking in this proud upright posture. I am convinced that training this posture in tango changes us and this change is responsible for some of the radiance of tango. Obviously, pride as any other emotion can be overdone and exaggerated to the extent of loosing its positive connotation. Once again, it is the question of finding the right measure...
Aber zurück zu der im Tango "Vuelvo al Sur" besungenen Würde. Würde ist nicht das Gleiche wie Stolz. Während der Stolz ein momentanes Gefühl ausdrückt, umschreibt Würde eine Art und Weise mit dem Leben umzugehen. Sich dem Leben zu stellen, seinen Herausforderungen. Es umschreibt für mich die Tatsache, sich nicht aufzugeben und mit Achtung vor sich selber und den Menschen in seinem Umfeld zu leben. Würde beinhaltet das Wissen darum, jemand wertvolles zu sein, eine wertvolle Rolle im Räderwerk der Welt zu spielen, egal wie klein sie ist. Woher kommt diese Würde? Kann man sie sich ganz aus sich heraus erreichen? Welche Rolle spielen familiäre Prägung und die Sicherheit, eine Linie an Vorfahren hinter sich stehen zu haben? Wo ist unsere Würde, meine, Deine, wo die der Deutschen mit ihrer gebrochenen Geschichte? Manchmal glaube ich, wir haben sie als Volk verloren.
But lets return to the dignity sung about in "Vuelvo al Sur". Dignity is not equivalent to pride. While pride expresses an emotion, dignity describes a way to cope with ones life. How to face up to the challenges of life, which position to take. You always have a choice, no matter how awful or restraining a situation is. You have the choice to find you own point of view, your position. Dignity to me it describes a certain position towards life and towards oneself. Not to give up your own self esteem and your respect for the others around you. Dignity includes the knowledge of being an important and singular element in the carousel of this world, no matter how small this element may be, having ones one place and position. But where does it come from, this dignity? Can you find it, bring it out in yourself? Which role does our family imprint play? What role the security of having a line of ancestors behind you? Where is our dignity, mine, yours, where is the dignity of us Germany with our broken history? Sometimes I believe it lost for ever as a people.
Tango erzählt sehr viel von Stolz. Und von Würde. Der Stolz alleine riskiert oberflächlich oder selbstzentriert zu sein. Erst gepaart mit der Würde entfaltet er seine ganze Kraft und Ausstrahlung.
Tango is about pride. And about dignity. Pride by itself risks being too superficial and self centered. It needs the search for dignity by its side to develop its unique and touching radiance.
Hallo Toscabelle, deine Beiträge sind sehr besonders und strahlen in jeder Hinsicht viel Kunstfertigkeit aus. Worte, Bilder, Emotionen, Bewegung, ... Klasse - das mal vorweg! :)
AntwortenLöschenZu der "würdevollen Haltung" möchte ich nur ganz kurz bemerken, dass dies meines Erachtens der wichtigste Aspekt des gesamten Tango ist. Einigen fällt diese Haltung sehr schwer, und dazu habe ich auch kürzlich etwas im Kontext "Gehen" geschrieben. http://wp.me/pxkP7-6q
Einen Sachverhalt möchte ich noch gerne zum Tango ergänzen, was mir anfangs besonders schwer fiel, ganz egal, wie gut oder schlecht der Körper funktioniert. Und zwar, dass sich das Tanzpaar in den meisten Momenten schwerpunktmäßig einander ZUGEWANDT ist. Das heißt, es steht (beim Gehen) nicht jeder einfach für sich, sondern die Körperachsen sind quasi aufeinander angewiesen. Funktioniert es bei einem nicht, dann funktioniert es für das Paar auch nicht. Daher ist die Haltung beim Tango auch etwas anders als "Solo" und somit im Anspruch weit höher. -> Kommunikation! :)
Liebe Grüße und viel Spaß beim Tanzen, Forschen, Zeichnen und Schreiben!
Stefan
Hallo Stefan! Dein Text zum Gehen ist wieder sehr aufschlussreich. Danke für den Link! Und für das Kompliment. Und Dein Hinweis auf das Gehen (und sich bewegen) mit zwei auf einander abgestimmten Körperachsen ist super. Das Thema spukt auch schon in meinem Kopf herum und wird sicher auch noch mal als Post auftauchen.
LöschenViele Grüße, Toscabelle