Is tango easy or terribly hard? A graphic artist goes on an adventurous trip into the world of
the tango - discovering, laughing, struggling,despairing, learning. Can I tango? Maybe!

Freitag, 3. April 2015

Jenseits des Seepferdchens


Milonga-Souvenirs


Immer wieder werde ich gefragt, was sich in meinem Tango verändert hat seit und durch meine Zeit in Buenos Aires. Das musste eine Weile in mir reifen, aber jetzt ist es an der Zeit es in Worte zu fassen. Aus meiner heutigen Sicht lautet die Antwort: Ja, es hat sich ordentlich etwas getan! Ich habe endlich (nach nun fast 3 Jahren Tango) das Gefühl, dass etwas davon in mein System eingedrungen ist und ich auf der Tanzfläche in der Umarmung eines Tänzers wohl fühle, ich weiß, was meine Füße tun, weiß, wie sich die Bewegungen anfühlen, dass ich so weit über (oder auf?) den Grundlagen stehe, um mich selber zu tragen und zu bewegen und meine Bewegung und mein Empfinden der Musik in den gemeinsamen Tanz einfließen zu lassen. Ich bin ein zumutbarer Tanzpartner geworden. Seepferdchen liegt schon hinter mir - vielleicht habe ich so etwas wie das bronzene Abzeichen beim Schwimmen erreicht.

When asked what has happened with my tango due to my stay in Buenos Aires, I was a little at loss, not knowing how to formulate the effects on so very different levels. But these thoughts and impressions have simmered enough in me to be dressed in words. The answer is: Yes, quite a lot has happened! Finally, after nearly 3 years of learning tango, I have the feeling that tango is entering my system, finally I am starting to feel well and at ease when dancing, knowing what my feet are doing and how a movement feels, relying on my foundation well enough to move securely and to start to express my feeling for the music in the dance. I have finally passed the first stages. (In Germany, the first simming badge children proudly achieve is called "Seepferdchen", seahorse. So in the German version of this post I stated that I have outgrown the seahorse-stage and have maybe reached something like a bronze swimming badge)

Was an dieser Entwicklung hat nun mit Buenos Aires zu tun?

What relation is there between this development and Buenos Aires?

Ein intensives Training, wenn auch nur über 2 Wochen, hinterlässt natürlich Spuren. Wir haben täglich 3 Stunden trainiert und (fast) jeden Abend auf den verschiedensten Milongas getanzt. Und wir haben mit Miles Tangos trainiert. Das ist Schwerstarbeit. 3 Stunden lang wird maximale Konzentration, voller Einsatz und die Lust, minutiös an Details zu abeiten gefordert. Manchmal steht er gedanklich fast mit der Peitsche neben einem während man immer und immer wieder versucht, sein eigenes Gehen aufzuräumen, richtig abzurollen, das Gewicht richtig zu verlagern, die Haltung nicht zusammen sacken zu lassen... Ich habe Muskelkater an den verrücktesten Stellen entwickelt. Viel natürlich in den Beinen an ganz unbekannten Muskelgruppen, aber auch ganz deutlich im unteren Rückenbereich. Das fühlt sich gut an - warm, bewegt, flexibel, aktiviert. Mein Hauptthema in dieser Trainingsrunde war es, nicht so schwer zu sein. Ich bin kein zartes Fliegengewicht und habe die Rückmeldung bekommen, dass ich schwer zu bewegen sei. Das ist ein heikeles Thema. Ich möchte leicht zu bewegen sein, aber auch nicht vorschnell Bewegungen erahnen, die der Führende gar nicht meinte. Also Hineinspüren und nur genau das umsetzen, was gedacht ist, dann aber ein bisschen plötzlich. So habe ich in diesen zwei Wochen vor allem Schnelligkeit trainiert. Meine Bewegungsabläufe schnell und klar auszuführen. Natürlich nehme ich beim Tanzen dann wieder Tempo raus, fühle mich in das Tempogefühl der Musik und der meines Tanzpartners ein. Als Musiker kenne ich diese Technik - will man eine Passage schnell und ohne Stolpern spielen, trainiert man sie mit Metronom immer schneller ein, schießt dabei über das Ziel hinaus, um dann wieder herunter zu schalten und plötzlich ganz entspannt und flüssig alles im Richtigen Tempo spielen zu können.

Obviously, an intensive training, even if only for 2 weeks, has an effect. We trained for 3 hours every day and went out on Milongas nearly every evening. We trained with Miles Tangos. And that is serious stuff: 3 hours of maximal concentration, full input and a willingness to work on minute details. Sometimes it feels as though he were standing next to you with a whip in the hand, making you work on cleaning up your walk, not pounding into a step, transferring weight correctly, not collapsing in the posture... I developed muscle aches in surprising locations. Obviously in the feet and legs, but also in less used muscle groups and quite clearly in the area of the lower back. That feels great, being flexible, activated, warm. My main theme during this training session was not to be to heavy. I am not a dainty featherweight and have received the feed back that I am difficult to move. A touchy theme. I want to be easily moved without anticipating the movement. It is necessary to feel the lead impulses very precisely and to execute just that. And quickly. So what I trained most these two weeks was speed, reacting and moving quickly and clearly. Obviously when dancing, some of this speed disappears again, depending on the music and on my dance partner. But in training high speed the movements are easily available at reduced speed. As a musician, this learning technique is familiar to me. If I want to learn to play a difficult passage quickly and without mistakes, I train the passage with a metronome, slowly raising the speed and way overpassing the final speed. When speed is then reduced to normal, the passage is easily played with a relaxed feeling.

Neben dem Training mit Miles Tangos habe ich mich auch mit der Bloggerin Terspichoral Tangoaddict getroffen. Ich bewundere ihre Blogeinträge schon lange und erinnerte mich an ihr Angebot einer Milonga- oder BA-Tango-Beratung. Wir haben uns getroffen und uns zu zwei Unterrichts-Sessions verabredet. Die andere, etwas weiblicherere Perspektive tat mir gut. Ich bin eh überzeugt, dass man manche Dinge öfter und auf unterschiedliche Weise gesagt bekommen muss, bis ein Bild, eine Vermittlung oder einfach nur der eigene Entwicklungsstand es ermöglicht, diese Information umzusetzen. Zwei wichtige Impulse bekam ich von Terpsi - Sie ist eine Meisterin im Vermitteln der Dinge, die es für eine schöne, gemütliche Umarmung braucht. Und sie hat mir wichtige Impulse gegeben zur Dissoziation und Dynamik einer Drehung. Seit ihrem Training versuche ich, aus der Höhe der Schulterblätter heraus eine Bewegung zu beginnen und spüre die Dynamik, die dadurch entsteht. Wertvolle Impulse.

Next to training with Miles, I also met up with the blogger Terpsichoral Tangoaddict, who's blog I have been reading and admiring for quite a while. Remembering Terpsi once offered a BA-Milonga-Tango-Consultation sesscion, we met up with her and arranged two teaching sessions. I enjoyed her different, very feminine perspective. And I am convinced that some truths have to be put to you in as many different version as possible until one image, one translation or simply you present stage of development allows you to transform the thought and bring it into your dance. Terpsi gave me two very  important impulses: She is the mistress of the beautiful and cozy embrace. And secondly since her lessons I am starting to begin a movement, a dissociation or pivot from the shoulders, feeling the dynamics this creates. Two very important impulses next to quite a few more.

Zurück zur Ursprungsfrage - was hat BA für meinen Tango getan? Ein intensives Training kann ich auch überall woanders in der Welt haben. Und es würde mich sicher genauso weiter bringen. Gute Lehrer touren durch die ganze Welt und freuen sich über intensive Schüler. Es gibt noch zwei andere Elemente in Buenos Aires, die meinen Tango massiv beeinflusst haben.

But returning to the original question: what has BA done for my tango? I can have an intensive training anywhere in the world and it would produce the same effect. Very good teachers are touring all over the world and are happy to have intensive students. There are two more elements existing in BA which have massively influenced my tango.

Keine andere Stadt der Welt bietet jeden Tag der Woche so viele Practicas und Milongas, mit so vielen ausgezeichneten Tänzern und Lehrern. Das ist einfach umwerfend. Alle großen Namen kann man hier treffen, auf Milongas, bei einem Showtanz oder gar beim sozialen Tanzen erleben. Das ist eine inspirierende Droge! Und auch wenn sicher ein nicht unerheblicher Teil der Milongagäste ebenfalls Tango-Touristen sind, fällt hier besonders zu späterer Stunde die Qualität der Tänzer auf. Sie fallen nicht auf durch extravagante Figuren, sondern durch ihren feinen, sehr präzisen und vor allem sehr musikalischen Stil, ihre wundervolle Umarmung. Hier wird fast nur in der engen Umarmung getanzt oder im Salon Stil - also mit fließendem Wechsel zwischen enger und offener Umarmung. Aber enge Umarmung ist der Standard. Ebenfalls Standard sind die Codigos. Cabeceos zum Auffordern, respektvolles Einfädeln in die Ronda und folgen der Ronda Spuren, Hacken bleiben selbstverständlich auf dem Boden... Das habe ich auf Milongas in Deutschland bisher nur sehr selten in so einer Einheitlichkeit erlebt. Freunde von mir argumentieren: Dies kannst Du alles auch in Europa auf einem feinen Festivalito oder einem Tango-Marathon mit ausgewählt Gästen erleben. Das mag sein, ich persönlich habe es noch nicht erlebt, habe es noch nicht in den "inneren Kreis" solche ausgewählter Tänzer geschafft. Dennoch ist es wohl so, dass solch ein gehobenes Niveau gepaart mit einem tiefen Gefühl für das Miteinander, was auf der Tanzfläche entsteht auch in Europa zu erleben ist. 

No other city of the world houses so many practicas and milongas every day of the week with so many excellent dancers and teachers. Thats just dazzling! You can see all of the big names here, see them show-dancing at milongas or social dancing. That is a very inspiring drug. Even if a large number of dancers at the BA milongas are foreigners and visiting dancers, the quality of the dancers in general is very high, getting higher the later the evening is. The good dancers do not attract attention due to their extravagant moves and figures but through their elegant, precise and very musical style, their wonderful embrace. You see nearly only close embrace danced here, or close embrace opening for certain movements only to return to close embrace. Codigos also are a standard. Asking for dance with cabeceo and mirada, entering the ronda respectfully and following it during the dance, heels staying down. This happens with an implicitness I have never experienced in Germany. I have had friends argue: you can have all of this at a tango-marathon or at an encuentro here or there. But I myself have not experienced this as yet, hot having made it into one of these cirlcles yet. 

Nun kommt das dritte Element zum Zuge. Buenos Aires. Dieser Tanz ist ohne ein Erleben dessen, was Buenos Aires ausmacht, das was es bedeutet, ein Porteño oder eine Porteña zu sein, kaum bis in seine letzten Poren nachzuvollziehen. Ich habe nur eine Ahnung davon bekommen, aber die Stadt hat mich beeindruckt. Diese Stadt ist schön. Und erschütternd. Sie ist voller Geschichte, sie ist lebendig und brausend. Die Porteños sind weltoffen, kommunikativ, höflich und stolz. Respekt gehört zum Alltag, zur Überlebensstrategie. Denn eigentlich ist man sich bewusst, dass man zu einem kultivierten, großen Volk gehört, andererseits wendet sich das Gespräch ganz schnell zum allgegenwärtigen Thema Korruption, ist das marode Finanzsystem und Armut allgegenwärtig. Irgendwie muss man in diesem Zwiespalt überleben, in der Hektik und Unsicherheit dieser riesigen Stadt. Die Milongas sind Inseln, Rückzugsmöglichkeiten in dem Großstadtmeer, in denen die alte Größe der goldenen Zeiten der Stadt wieder aufleben kann. Die Milonga ist ein sozialer Treffpunkt, ein wenig wie es vielleicht früher unsere Dorfbälle waren. Die Codigos von Cabeceo bis zur Ronda sind aus dem normalen Umgang der Porteños mit einander entstanden. Fremde werden höflich mit einbezogen. Tango ist ohne diese Mentalität, ohne den Stolz der Porteños nicht zu verstehen. Man kann sich ihm intellektuell nähern. Aber fühlen kann man ihn nur hier, in Buenos Aires.

But now the third element comes to play. Buenos Aires. Without the experience of this city, without a feeling for what it means to be a porteño, tango can not be understood in its full extent. The time was only enough to get a glimpse but this city has impressed me deeply. It is a beautiful city. And an upsetting one. It is full of history, lively and effervescent. The porteños are The porteños are an open-minded, communicative, polite and proud people. Respect is part of every day life, a survival strategy. On the one hand, one is aware that one belongs to a cultured, great people, on the other hand, the conversation quickly turns to the ubiquitous issue of corruption, the ailing financial system and poverty are pervasive. Somehow you have to survive in this gap, in the rush and uncertainty of this huge city. 

Milongas are islands, secure spaces in this heaving sea of BA. Here, the cities grandness of the golden days can revive. The milonga is a social meeting place, a bit like our old village balls. The Codigos – cabeceo to ronda – have grown naturally from the normal way the porteños treat each other. Foreigners are politely included. Tango can not be understood without this mentality, without the pride of the porteños. One can approach it intellectually. But can you feel it only here in Buenos Aires.

Alle drei Elemente ergeben zusammen diesen einmaligen Cocktail, den man nur hier schlürfen kann, und der mich hat über mein Seepferdchen hinaus wachsen lassen. Ich freue mich auf jedes Encuentro, jeden Tango-Marathon in Deutschland (falls Veranstalter dies lesen - ich freue mich über eine Einladung!), freue ich über jede schöne Tanda, jede Milonga auf der ich tanzen kann, auf der ich willkommen bin. Aber ich werde ganz sicher wieder zurück kehren, nach Buenos Aires, um noch mehr von diesem Gesöff zu schlürfen! Ganz sicher!


These three elements together make up the exceptional cocktail which you can drink only here and which has allowed me to grow to where I am today (beyond the seahorse badge). I look forward to any encuentro or marathon I may participate in in the future, I look forward to every enjoyable tanda, every milonga which welcomes me. But I will certainly return to Buenos Aires to have a few more drops of that magical cocktail! Be assured!