Vielleicht sollte ich von vorne anfangen.
Ich habe schon als frühpubertäres Mädchen Tango-Musik geliebt. Mein Herz hüpfte und ich fühlte mich erkannt, meine Melancholie gespiegelt, angekommen. Mein familiärer Hintergrund ist preussisch - musische Erziehung gehörte mit dazu, so dass ich auch mit einem Instrument groß geworden bin.
Ein wenig verlor ich die Tango-Sehnsucht aus dem Blick, aber als sie mich wieder mit voller Wucht traf, entschied ich mich, ein zweites Instrument zu lernen: das Akkordeon. Akkordeon auch nur mangels eines Bandoneon-Lehrers, der in dem etwas einsamen Landstrich, in dem ich damals lebte, nicht aufzutreiben war. Akkordeon war ähnlich und ließ ähnlich sehnsuchtsvolle Töne erklingen. Ich war glücklich. Das ist immerhin zwanzig Jahre her und ich spiele seitdem die unterschiedlichste Musik auf meinem Akkordeon, temperamentvolle, sehnsuchtsvolle, und immer wieder Tango.
Natürlich war da auch immer der Traum, mich zu dieser Musik bewegen zu können. Irgendwie ergab es sich aber nie. Es fehlte der entsprechende Partner, es fehlte die Zeit, oder die Sehnsucht war nicht groß genug. Letztes Jahr war es dann soweit. Nach einem nicht ganz so glücklichen Versuch mit einem Partner begann ich, alleine Privatstunden bei einem hervorragenden Lehrer zu nehmen.
Fünf solcher Stunden habe ich nun hinter mir. Lerne gehen, meine Achse finden, mich im Raum orientieren, mich weich führen lassen, ohne dabei selber zu weich zu sein, meine Beine locker zu lassen... so viele Dinge, die so einfach klingen, wenn sie erklärt werden, in der Anwendung aber manches Mal leicht, manches Mal unendlich schwer erscheinen. Ich bin ein blutiger Anfänger, ein Fremder in einem völlig unbekannten Land, das mir gefällt, in dem ich mich aber noch nicht verständigen kann. Ich fühle mich unfähig, wie ein Baby, welches laufen lernt falle ich immer wieder auf die Nase.
Warum tut sich ein erwachsener Mensch so etwas an? Kann man sich nicht einfach mit den vielen Gaben, die man schon mitbekommen hat zufrieden geben, das Leben genießen und zufrieden sein, von Katastrophen weitestgehend verschont zu bleiben?
Ich weiß genau warum ich das tue. Ich lerne für mein Leben gerne. Ich bin überzeugt, dass wir nur durch einen ewigen Lernprozess im Strom des Lebens bleiben können. Leben ist Lernen. Natürlich gibt es genug Menschen in meinem Umfeld, die davor Angst haben und die so schon fast mumifiziert durchs Leben wandeln. Weil zum Lernen halt auch das Hinfallen und Stolpern gehört. Und das machen doch nur Kinder. Wir Erwachsenen doch nicht mehr.
Deshalb lerne ich, stolpere, verzweifle an meiner Unfähigkeit, wie eine Göttin mit sicheren Schritten über das Parkett geführt zu werden. Und gehe doch das nächste Mal wieder voller Spannung und Aufregung zum Tango-Unterricht. Ich will zwar wie eine Göttin Tango tanzen können. Aber das eigentlich spannende daran ist der Prozess. Das Lernen. Deshalb habe ich auch entschlossen, diesen Blog zu schreiben. Um den Weg zu teilen, egal wohin er führt. Kein perfektes Endprodukt. Davon gibt es schon genug in der globalen digital geschönten Welt.
Bis zum nächsten Post!
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